Hans Peter Dürr – Wir erleben mehr als wir begreifen

In die­ser Videoaufzeichnung des Seminars zum Dialog von Naturwissenschaft und Theologie vom 28.5.2002 an der Technischen Universität Clausthal, erklärt Prof. Dr. Hans Peter Dürr sei­ne Sicht zu natur­wis­sen­schaft­li­chen Erkenntnissen und deren Verhältnis zu unse­rem Erleben der Wirklichkeit. Er for­mu­liert die Probleme der moder­nen Naturwissenschaften bei ihrem Gang an die Grenzen der empi­ri­schen Erkenntnis, und wie sich die­se durch die Berücksichtigung und Wiedereinbeziehung von Philosophie und Religion in die wis­sen­schaft­li­che Methodik lösen las­sen könnten.

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Demnach steht die moder­ne Wissenschaft, die heu­te zu ihrer eige­nen Inquisitorin mutiert ist, nach ihrer strik­ten Trennung von der Religion, wie­der davor, neue Wege abseits empi­ri­scher Paradigmen zu suchen.
So hat vor allem die Quantenphysik des letz­ten Jahrhunderts die phy­si­ka­li­schen Grundsätze über die Gesetzmäßigkeiten der Natur in ihrem Innersten grund­le­gend ver­än­dert. Sie zwingt uns nun immer mehr dazu, unser mate­ria­lis­ti­sches Bild von der Welt als chao­tisch-geord­ne­te Summe von diver­sen Strukturen und Teilchen ohne tie­fe­re Verbindung, neu zu über­den­ken. So ist jedes Elektron im Universum gleich­zei­tig mit jedem ande­ren Elektron ver­bun­den. Ist z.B. ein Pendel im abso­lu­ten Gleichgewicht, so genü­gen die kleins­ten Veränderungen (die Lokalisation der Versuchsperson, oder ob das Pendel von einem aus­ge­strahl­ten Photon eines fer­nen Sterns zufäl­lig getrof­fen wird) um es aus dem Lot zu brin­gen. Es tas­tet somit in die­sem Zustand das gesam­te Universum ab – gleich dem erleuch­te­ten Zustand per­fek­ter geis­ti­ger Balance, die man z.B. durch Meditation errei­chen kann, und dadurch qua­si auch das gan­ze Universum „abtas­tet”.

Ein ande­res Beispiel unse­rer ver­al­te­ten Sichtweise wäre es, das Meer als die Summe von Billionen von ein­zel­nen Wassertröpfchen zu sehen. Nach Dürr bewirkt aber die Summation aller Wasserteilchen, das eben etwas neu­es gro­ßes Ganzes ent­steht – das Meer! Tropfen gibt es nur, wenn man einen klei­nen Teil aus dem gro­ßen Ganzen entfernt.
Ebenfalls kann man unse­re DNS mecha­nis­tisch als ein­fa­che Reihung ver­schie­de­ner Basenpaare, die unse­re Gensequenz aus­ma­chen, fest­le­gen. Dies ist ver­gleich­bar damit, wenn man nur die ein­zel­nen Buchstaben sieht und nicht das gan­ze Wort mit sei­nem Sinninhalt. Gleich wie die Aneinanderreihung von Wörtern zu einem Satz einen neu­en Sinn ergibt, und die wei­te­re Aneinanderreihung von Sätzen zu einem Gedicht, wie­der­um einen neu­en Sinn ergibt, sind wir mit unse­rer alten wis­sen­schaft­li­chen Denke nicht in der Lage, das gro­ße Ganze zu erkennen.

Dass die moder­ne Physik immer mehr sol­cher, dort in der Sprache der Mathematik for­mu­lier­ten, Parallelen zu uralten Weisheiten ver­schie­de­ner Weltreligionen offen­bart, zwingt die neu­zeit­li­che Wissenschaft laut Dürr wie­der näher an die Philosophie und die spi­ri­tu­el­len Weltbilder her­an zu rücken.

Hans Peter Dürr sag­te dazu im Mai 2007 in einem Interview für die Zeitschrift P.M.:

„Im Grunde gibt es Materie gar nicht. Jedenfalls nicht im geläu­fi­gen Sinne. Es gibt nur ein Beziehungsgefüge, stän­di­gen Wandel, Lebendigkeit. Wir tun uns schwer, uns dies vor­zu­stel­len. Primär exis­tiert nur Zusammenhang, das Verbindende ohne mate­ri­el­le Grundlage. Wir könn­ten es auch Geist nen­nen. Etwas, was wir nur spon­tan erle­ben und nicht grei­fen kön­nen. Materie und Energie tre­ten erst sekun­där in Erscheinung – gewis­ser­ma­ßen als geron­ne­ner, erstarr­ter Geist. Nach Albert Einstein ist Materie nur eine ver­dünn­te Form der Energie. Ihr Untergrund jedoch ist nicht eine noch ver­fei­ner­te Energie, son­dern etwas ganz Andersartiges, eben Lebendigkeit. Wir kön­nen sie etwa mit der Software in einem Computer vergleichen.”

 

Hans-Peter Emil Dürr (geb. am 7. Oktober 1929 in Stuttgart) ist ein deut­scher Physiker und war bis 1997 Direktor am Max-Planck-Institut für Physik (Werner-Heisenberg-Institut) in München.

Dürr ist Träger des Alternativen Nobelpreises von 1987 und Begründer der Initiative „Global Challenges Network”, einer Organisation, die ein Netz aus Projekten und Gruppen knüpft, die kon­struk­tiv und gemein­sam an der Bewältigung der Probleme arbei­ten, die uns und damit unse­re natür­li­che Umwelt bedro­hen. Er ist außer­dem noch Mitglied des zwie­lich­ten Club of Rome.

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  • http://video.tu-clausthal.de/film/48
  • http://de.wikipedia.org/wiki/Hans-Peter_D%C3%BCrr
  • http://www.boydenforum.ch/images/hanspeterduerr.jpg
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